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Rafaela Weinz, Evensong - Historische Konfigurationen einer liturgischen Form

2. Entstehung des Evensong im 16. Jahrhundert

Bevor mit der Beobachtung der Konfiguration des Evensong begonnen werden kann, ist es erforderlich, sich zunächst den Ursprung der Form zu vergegenwärtigen, da sich die ursprüngliche Form und Funktion des Evensong aus seiner Entstehung erklären lassen. Dazu soll im folgenden Kapitel die Geschichte des Stundengebets der christlichen Kirche umrissen werden, bevor es dann um die historischen Hintergründe der anglikanischen Reformation geht, aus welcher der Evensong der anglikanischen Tradition hervorging.

2.1. Der Ursprung: Das Stundengebet der christlichen Kirche

Die ersten Formen des christlichen Stundengebets lassen sich schon bei den frühen Christen finden: Ihr Ursprung geht auf die Ostervigil zurück (vgl. [Pascher 1958], S. 679) und sie waren, wie in den jüdischen Gemeinden üblich, ein Gemeindegebet. Aus der Zeit des 4. Jahrhunderts nach Christus sind aus der griechischen Tradition die so genannten Kathedraloffizien bekannt, die sich „an den Tageszeiten und ihrer Symbolik“ ([Meßner 2001], S. 242) orientierten und jeweils am Morgen und am Abend stattfanden. In der römischen Tradition waren solche Gemeindegebete zum Morgen und zum Abend eher unüblich (vgl. a.a.O. S. 264), dort lassen sich aber Frühformen der monastischen Stundengebete finden: „[...] Mönche hatten nur zwei feste und klar strukturierte Gebetszeiten: in der Nacht nach dem Aufstehen [...] und am Abend.“ ([Meßner 2001], S. 237). Pascher bemerkt in seinem Artikel „Brevier“ im „Lexikon für Theologie und Kirche“, dass die frühen Christen unter dem Einfluss der griechisch-römischen Zeiteinteilung auch Gebete zur dritten, sechsten und neunten Stunde kannten (vgl. [Pascher 1958], S. 680).

Der genaue Ursprung der Gemeindegebete, sowie der Zusammenhang zwischen dem Kathedraloffizium und den monastischen Gebetsformen ist bis heute nur ungenügend erforscht und kann daher nur schwer rekonstruiert werden. Jedoch herrscht über die Frage nach der Form dieser Gebete Konsens. Die drei Strukturbestandteile der Tagzeitenliturgie, wie sie heute genannt wird, sind die Psalmen, das Gebet und die Lesung. Ebenso ist sich die Religionswissenschaft darüber einig, dass sich das Stundengebet, „soweit es gemeinsam verrichtet wird, von jeher mit Gesang“ ([Jammers 1962], S. 435) vollzieht. Sowohl in Klöstern wie auch für Kathedraloffizien ist der gregorianische Choral seit dem 6. Jahrhundert n. Chr. als spezifisch musikalische Form der Liturgie- und Psalmvertonung der christlichen Kirche bekannt. Ein überliefertes Beispiel der gesungenen Kathedraloffizien ist das seit dem 9. Jahrhundert n. Chr. in Konstantinopel gesungene Abendgebet (chanted vespers), in denen zwei Melodien in einem zweiwöchigen Turnus wiederholt wurden. Überliefert ist das Singen von Psalmen, die von einem Chor mit syllabischer Textverteilung antiphonal vorgetragen wurden (vgl. [Touliatos-Banker 1976], S. 107 ff.).

Nach dem Morgenländischen Kirchenschisma (1054 n. Chr.) und den darauf folgenden Kreuzzügen der römisch-katholischen Kirche vom 11.-13. Jahrhundert wurde die griechisch-orthodoxe Kirche verdrängt und ihre Traditionen durch Traditionen der römisch-katholischen Kirche ersetzt (vgl. [Denzler 2003], S. 1027; S. 1227). Das byzantinische Kathedraloffizium wich dem monastischen Stundengebet und mit jenem auch die besondere Gewichtung des Morgen- und Abendgebets. Es ist anzunehmen, dass sich die Gebete in den Klöstern zur Zeit der gregorianischen Reformen (11.-12. Jhd. n. Chr.) zunehmend der Öffentlichkeit verschlossen und die Laien

gottesdienstlich zunehmend eigene Wege [gingen.] Ihre Teilnahme an der Tagzeitenliturgie war schon seit karolingischer Zeit vor allem wegen der zunehmend fremden Sprache (Latein) und der perfekten, die Mönchsgemeinschaft eines Basilikaklosters voraussetzenden Gestalt erschwert. ([Meßner 2001], S. 271)

Für das monastische Stundengebet bildet sich eine Struktur von acht Gebeten am Tag (diese Aufzählung entspricht der Struktur um 1500 n. Chr. in England):
Matutin um Mitternacht
direkt im Anschluss die Laudes
am frühen Morgen die Prime
die Terz um 9 Uhr
die Sext am Mittag
um 15 Uhr die None
Vesper am Abend
Komplet vor dem Schlafen gehen (vgl. [Cuming 1969], S. 6)

Hier lassen sich die beiden Einflüsse der römischen Zeiteinteilung und der byzantinischen Kathedraloffizien wiederfinden: die so genannten kleinen Horen lehnen sich an die römische Einteilung der Zeit an (dritte, sechste und neunte Stunde) und die byzantinische Tradition ist Vorbild vor allem für Vesper und Komplet. Letztere sind für diese Arbeit von besonderem Interesse und sollen daher in ihrer Form genauer beschrieben werden.

Sowohl Vesper als auch Komplet sind in der römisch-katholischen Kirche als Chorgebete üblich. Sie bestehen beide aus der Eröffnung, einem Hymnus, 1-3 Psalmen, einer Lesung, einem Antwortgesang und einem Schlussgebet. Hinzu kommt für die Vesper noch das Vater unser und das Vortragen von Fürbitten vor dem Schlussgebet. Ein abschließender Segen ist für beide Formen nicht unüblich, aber nicht vorgeschrieben (vgl. [Mailänder 2004], S. 6). Bis auf die Lesungen und die Gebete der Vesper werden alle Bestandteile der beiden Stundengebete gesungen vorgetragen. Ihre musikalischen Formen sind der einstimmige gregorianische Choral und die acht Psalmtöne1, welche aus einer Anfangsbewegung (Initium), einem Rezitationston (Tenor), einer Mittelkadenz (Mediatio) und einer dem zweiten Tenor folgenden Schlusskadenz (Differentia) bestehen. Der Text wird dabei hauptsächlich auf dem Tenor rezitiert, die Rhythmik ist dem natürlichen Sprachduktus unterstellt (vgl. [Metz 1994], S. 58). Auch für die gregorianischen Choräle gilt diese Beziehung von Sprache und Rhythmik, die Textverteilung ist überwiegend syllabisch.

Des weiteren unterscheiden sich die beiden Offizien durch die Wahl der Lesungstexte und ihrer Antwortgesänge: während die Vesper einen Auszug aus dem alten Testament vorschreibt, wird bei der Komplet ein Text aus dem neuen Testament vorgelesen (vgl. [Swete 1896], S. 72); der Antwortgesang in der Vesper ist das Magnificat (Lobgesang der Maria; Lk 1, 46-55), in der Komplet wird der Gesang des Simeon (Nunc dimittis; Lk 2, 29-32) vorgetragen. Im römisch-katholischen Stundengebet werden diese Antwortgesänge auch auf Psalmtöne gesungen und unterscheiden sich daher musikalisch von den Psalmen nicht. Ihre besondere Gewichtung erhalten diese beiden Gesänge nur dadurch, dass sie im Gegensatz zu den Psalmen täglich gesungen werden. Für die Psalmen gilt bis zum zweiten Vatikanischen Konzil (1971-1965) eine wöchentliche Rotation (vgl. [Meßner 2001], S. 280).

Die römische Form des monastischen Stundengebets kam mit Augustinus von Canterbury, der von Papst Gregor I gesandt worden war, 597 n. Chr. nach England, wo es zunächst im Kloster von Canterbury zur Tradition wurde (vgl. [Moorman 1963], S. 149). Von dort aus breitete es sich über ganz Großbritannien aus und bekam im 11. Jahrhundert durch den Hl. Osmund, Bischof von Salisbury, eine spezifische Form: „The Sarum Rite“ ([wikipedia: Sarum Rite])2. In der Regel blieben die Bezeichnungen der Gebete auch in der englischen Sprache erhalten, jedoch wurde für die Vesper synonym das Wort Evensong gebraucht. Auch der gregorianische Choral fand auf diesem Weg Einzug in die Liturgie der Kirchen in England und bildet so die Grundlage für die Entwicklung sowohl kirchenmusikalischer wie weltlich-musikalischer Formen bis ins 16. Jahrhundert, in dem sich Henry VIII3, König von England, von der römisch-katholischen Kirche trennt.

2.2. Die anglikanische Reformation und ihre Folgen

Bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts entsprach die Liturgie in England und ihre musikalische Form damit weitestgehend4 der Tradition der römisch-katholischen Kirche: ihre Sprache war Latein, ihre Musik bestand hauptsächlich aus Messvertonungen und Motetten, die auf der Musik John Dunstables aufbaute und dem Prinzip der kontrapunktischen Vokalpolyphonie entsprach. Jedoch beobachtet Moorman in seinem Buch „A history of the Church in England“, dass schon um 1500 n. Chr. die Beziehung zwischen Rom und England zu zerbrechen drohte:

Rome had long been unpopular in England partly because so much good English money was annually sent out of the country, partly because the pope continued to appoint Italian courtiers to English benefices, and partly because of the system of appeals to Rome which often delayed the execution of justice or resulted in a miscarriage. ([Moorman 1963], S. 156)

Neben diesen eher politischen Gründen gab es auch einen kirchenreformatorischen Gedanken, der durch die Reformation in Deutschland (1517) weiter bestärkt wurde:

Early in the 1520's Lutheran teaching was being discussed at Cambridge where a group of enthusiasts was accustomed to meet at the White Horse Tavern. [...] Similar discussions were also held in other parts of the country. (a.a.O., S. 163)

Das Interesse lag vor allem in der Übersetzung der Bibel in die eigene Sprache und der Ablehnung Luthers zum Ablasshandel, sowie der damit verbundene Umgang mit dem Volk. In England hatte sich schon seit einiger Zeit ein Wissensdurst herausgebildet, der die Einführung einer englischen Bibel unverzichtbar zu machen schien (vgl. [Fellowes 1941], S. 1). Der König jedoch verhielt sich eher konservativ gegenüber den Reformbewegungen (vgl. [Moorman 1963], S. 163).

2.2.1. Ein König bricht mit Rom

Eine weitere Situation, aus welcher heraus sich schließlich die Spaltung der anglikanischen Kirche von der römisch-katholischen Kirche begründen lässt, entwickelte sich aus einem ganz persönlichen Interesse von Henry VIII, König von England:
Seine Frau Catharine hatte ihm in über 20-jähriger Ehe zwar bereits drei Söhne und zwei Töchter geboren, jedoch hatte nur eine Tochter mit Namen Mary die frühe Kindheit überlebt, und da England bis dahin nicht erfolgreich von einer Frau regiert worden war, bangte Henry VIII um seine Nachfolge (vgl. a.a.O., S. 164 ff). Henry VIII hatte sich in Anne Boleyn verliebt, die ihm einen gesunden Sohn zur Welt bringen sollte und bat Papst Clemens VII. daher um die Scheidung seiner Ehe mit Catharine. Dieser jedoch konnte ihm die Scheidung aus zwei Gründen unmöglich bewilligen: Zum einen war die Ehe Henrys VIII mit Catharine bereits eine Ausnahme gewesen und stand unter päpstlichem Segen5. Hätte Clemens VII. diese Ehe geschieden, hätte er damit die Entscheidung seines Vorgängers Papst Julius II fehlbar gemacht und das Papsttum als solches seiner Macht beraubt. Zum zweiten war Catharine die Tante von Karl V., König von Spanien und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches. Papst Clemens VII. hatte nach der Plünderung Roms (Sacco di Roma, 1527) im Jahr 1529 den Frieden von Barcelona mit Karl V. geschlossen und ihn ein Jahr später zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches gekrönt. Clemens VII. wollte den Ärger Karls V. nicht auf sich ziehen und schob die Entscheidung daher so lange vor sich hin, bis Henry VIII nicht länger warten wollte und alles nötige in seinem Land unternahm, um sich von Rom zu trennen.

Zunächst beschuldigte er Thomas Wolsey, der als Repräsentant des Papstes in England zwischen Henry VIII und Rom stand, das so genannte Praemunire6 gebrochen zu haben und entließ ihn 1530 aus seinem Amt. Ein Jahr später stellte er die Kleriker wie folgt unter Druck:

[...] he accused them all of a breach of Praemunire for having accepted Wolsey as legate, and then allowed them to save themselves from punishment on two conditions – one, the payment of a sum of 100,000; the other, the acknowledgment of Henry as 'Protector and Supreme Head of the English Church and clergy'. (a.a.O., S. 165)

Damit zwang er sie zur Gefolgschaft, was zunächst nur bedingt gelang. Der Klerus akzeptierte Henry VIII nur als „Singular Protector [...] and, as far as the law of Christ allows, even Supreme Head“ (a.a.O., S. 166), allerdings hatten sie sich damit schon ungewollt gegen den Papst gestellt. Neben einer Reihe parlamentarischer Akte, die ihn Schritt für Schritt der Macht über die Kirche näher brachten und den Erzbischof von Canterbury zum geistlichen Kopf der Englischen Kirche bestimmten, ließ Henry VIII Thomas Cranmer im März 1533 vom Papst zum Bischof von Canterbury weihen. Am 23. Mai des selben Jahres schied Cranmer die Ehe Henrys mit Catharine. Henry VIII gab wenig später die Hochzeit mit Anne Boleyn bekannt, die er bereits im Januar heimlich geheirat et hatte und die bereits ein Kind erwartete. Mit dem Act of Supremacy von 1534 folgte schließlich die endgültige Trennung von Rom:

Albeit the king's Majesty justly and rightfully is and ought to be the supreme head of the Church of England, and so is recognized by the clergy of this realm in their convocations, yet nevertheless, for corroboration and confirmation thereof, and for increase of virtue in Christ's religion within this realm of England, and to repress and extirpate all errors, heresies, and other enormities and abuses heretofore used in the same, be it enacted, by authority of this present Parliament, that the king, our sovereign lord, his heirs and successors, kings of this realm, shall be taken, accepted, and reputed the only supreme head in earth of the Church of England, called Anglicans Ecclesia. (Henry VIII, zit. nach [Ross 2001])

Das Englische Volk akzeptierte unerwarteter Weise den Bruch mit Rom ohne Widerstand, was Moorman darauf zurückführt, dass sich in der Glaubensauslegung bis zu diesem Zeitpunkt noch nichts verändert hatte (vgl. S. 169). Nur war jetzt nicht mehr der Papst das Oberhaupt der Kirchen in England, sondern der König von England und mit ihm der Erzbischof von Canterbury als geistlicher Begleiter. Bis 1534 hatte es damit zwar einen Bruch mit Rom, nicht aber eine Reformation gegeben. Auch die folgenden Entwicklungen waren zunächst politisch begründet, hatten aber schon deutliche Auswirkungen auf den Alltag des Klerus: aus Geldknappheit überzeugte Henry VIII das Parlament im Jahr 1535, in einem Gesetz zu verankern, dass alle Klöster hohe Summen an den König zu zahlen hätten. Dieses führte in den folgenden drei Jahren zur Auflösung von 376 geistlichen Zentren, viele Mönche und Priester wanderten auf das Festland aus (vgl. [Moorman 1963], S 174). 1538 brachte er durch ein weiteres Gesetz auch die übrigen Klöster zum Zusammenbruch. So wurde Westminster Abbey in London im Januar 1540 aufgelöst und wenig später als Kathedralkirche neu geweiht (vgl. [Fellowes 1941], S. 5). Durch diese konsequente Vertreibung vom römisch-katholischen Klerus und die Neuweihe von Kathedralkirchen hatte es Henry VIII geschafft, seine neue Church of England in ganz England zu verbreiten, ohne dass das Volk direkt betroffen gewesen wäre, denn die Gemeindekirchen7 blieben weitestgehend verschont:

The parish churches looked just as they had always looked; the services remained what they had always been; the clergy behaved as their predecessors had behaved for centuries. ([Moorman 1963], S. 179)

Ihre Gottesdienste waren von je her einfach gestaltet. Der Priester hielt seinen Gottesdienst, während die Gemeinde ihm dabei zusah und still mit betete. Gesungen wurde eher selten, Chöre gab es keine. Die Kathedralkirchen hingegen waren meistens mit Klöstern verbunden und pflegten daher das Stundengebet der römisch-katholischen Kir­che mit Chorgesang der Geistlichen. Seit der Blütezeit Englischer Kirchenmusik im 15. Jahrhundert hatte sich in den Klöstern die Schulung von Knaben für die Chormusik etabliert. Damit traf die Auflösung der Klöster die Tradition der Kirchenmusik hart:

In a large proportion of [the monasteries] the daily services were fully choral, and choirs of men and boys were provided for by their endowments ans statutes [...] Many hundreds of singing-men were deprived of their position and thrown on to their own resources to earn a livelihood as best they could. ([Fellowes 1941], S. 6)

Neben diesem musikalischen Aspekt, der nach einer Lösung verlangte, wurde auch der Ruf nach einer Reform der Stundengebetsform laut, denn den Priestern, die nun in der Regel allein eine Gemeinde oder Kathedralkirche zu betreuen hatten, war es unter diesen Umständen nicht mehr möglich, die acht Gebetszeiten, die die römisch-katholische Kirche vor schrieb, einzuhalten. Auch, wenn Henry VIII eigentlich keine inhaltliche Reform angestrebt hatte, war diese nun unausweichlich nötig geworden.

2.2.2. Reformen in der Liturgie

Thomas Cranmer, den Henry VIII mit der geistlichen Leitung seiner Kirche betraut hatte, war ein Reformer der ersten Stunde, er hatte schon in Cambridge die Lehren Luthers studiert (vgl. [Moorman 1963], S. 163). Nach der Trennung von Rom hatte er die Chance ergriffen und begann, konkrete Reformen vorzuschlagen, jedoch blieb der König zurückhaltend und stimmte nur ungern den Vorschlägen Cranmers zu. Im Jahr 1538 erschien als erste Neuerung die Bibel in englischer Sprache (English Bible), die jedoch nur als Referenzwerk genutzt werden sollte. Im Gottesdienst selbst blieb Latein als Liturgiesprache noch weitere fünf Jahre verbindlich: „In 1543 the reading of the Scriptures in English was introduced for the first time into public worship [...].“ ([Long 1972], S. 19) Ein weiteres Jahr verging, bis Cranmer 1544 einen Teil der Liturgie in englischer Sprache durchsetzen konnte: Exhoration and Litany war die erste Litanei, ein gemeinschaftliches Gebet der Gemeinde, welches auch im Gottesdienst in Englisch gesprochen werden durfte.

Mit weiteren Reformen hielt sich Cranmer zu Lebzeiten des Königs zurück, da er das gute Verhältnis zum König nicht übermäßig strapazieren wollte. Seine Chance sah Cranmer im Thronfolger Henrys, Edward VI, für den Henry VIII die Trennung von Rom in Kauf genommen und seine zweite Frau Anne8 hatte hinrichten lassen, um mit seiner dritten Frau Jane endlich einen gesunden Thronfolger zu zeugen. Edward VI war zur Zeit seiner Krönung im Jahr 1547 gerade neun Jahre alt und damit zu jung, um gegen die Reformen Cranmers, die direkt nach dem Tod Henrys fortgeführt wurden, zu widersprechen. Cranmer forderte folgende Reformpunkte (vgl. [Moorman 1963], S. 181):

Ein erster Schritt war bereits mit der Einführung der English Bible und der englischsprachigen Litanei getan. Ebenfalls war mit der Auflösung der Klöster jedem Priester auch ein Gemeindeauftrag zuteil geworden, der die Gemeinde mehr in den Mittelpunkt des Glaubens und Betens rückte, als das in den Klöstern der Fall gewesen war. In den folgenden zwei Jahren widmete sich Cranmer dem Verfassen eines neuen englischen Gebetbuches, welches allen Reformideen in den Gemeinden zur Umsetzung verhelfen sollte.

Bis 1549 waren insgesamt zehn Bücher9 nötig, um für alle Formen des Gebets ausgestattet zu sein. Das Book of Common Prayer10 (im folgenden mit BoCP abgekürzt) sollte diese alle ersetzen. Dafür orientierte sich Cranmer an einem von Rom abgelehnten neuen Brevier, das Kardinal Quignon im Jahr 1535 verfasst hatte (vgl. [Moorman 1963], S. 188) und konstruierte ein Buch, welches für alle Formen des Gottesdienstes eine kurze, aber alles enthaltende Anweisung gab. Ebenfalls enthielt das Buch einen Kalender, aus welchem die Lesungstexte für jeden Tag zu entnehmen waren, und der Psalter war darin abgedruckt. Wenn man nun aber bedenkt, wie viele Bücher vorher für das Einhalten der Gottesdienstordnung von Nöten war, stellt sich die Frage, wie Cranmer es schaffen konnte, den Inhalt von zehn Büchern in einem zu bündeln. Welche Änderungen musste Cranmer dafür an der Liturgie vornehmen?

Wie bereits angedeutet wurde, war es nicht mehr zeitgemäß, acht Gebetszeiten einzuhalten, da die Bindung des Priesters an eine Gemeinde diesen klösterlichen Tagesablauf nahezu unmöglich machte. Luther hatte das „pflichtmäßige, verdienstliche Stundengebet [...] beseitigt“ ([Jammers 1962], S. 435), da es durch seine stark konservative Form zu einem reinen Pflichtgebet degradiert worden war. Diese beiden Einflüsse werden Cranmer zu einer Reform des Gebets gedrängt haben. So entschied sich Cranmer für eine neue Gliederung des Stundengebets und versah es zudem mit neuem Inhalt: aus den acht Stundengebeten wurden Matutin, Laudes und Prim zu einem neuen Morgengebet (Mattins) zusammengefasst, welches unmittelbar vor dem Gottesdienst gehalten wurde; die Vesper und die Komplet wurden zu einem Abendgebet (Evensong) zusammengefasst, welches am frühen Abend stattfinden sollte (vgl. [Swete 1896], S. 72). Die kleinen Gebetshoren der katholischen Tradition Terz, Sext und None wurden ersatzlos gestrichen. Daraus resultierten zwei Tagzeitengebete, welche im Gegensatz zur römisch-katholischen Tradition mit der Gemeinde gebetet wurden. Cranmer selbst beschreibt seine neue Gebetsordnung als eine Anweisung des Gebets, die eher mit den Vorstellungen und Absichten der alten Väter zu vereinbaren sei (vgl. [Douglas 1962], S. 103). Ob es sich hierbei um eine Rückbesinnung auf die Kathedraloffizien der griechisch-orthodoxen Kirche handelt, ist nicht ausgeschlossen.

Neben diesen Konstruktionen eigener Gebetsformen lag die Hauptaufgabe Cranmers für das BoCP in der Übersetzung und Formulierung einer englischsprachigen Liturgie, die für das Volk verständlich war. Erste Texte einer englischsprachigen Komplet wurden bereits zehn Wochen nach dem Tod von Henry VIII (1547) in der Chapel Royal11 erprobt (vgl. [Long 1972], S. 20). Die Komponisten und Musiker, die durch die Einführung der englischen Sprache zunächst einen heftigen Schlag erlitten, fingen bereits in den Jahren 1546-47 an (vgl. [Fellowes 1941], S. 8), auf die neue Situation hin zu komponieren, indem sie englische Texte zu vertonen begannen und versuchten, die neuen englischsprachigen Psalmen unter die bekannten Psalmtöne zu setzen. In vielen Kathedralkirchen fand so die englische Sprache langsam Einzug in die Liturgie und die Einführung des BoCP im Jahr 1549 bestätigte nur, was sich inoffiziell schon hatte durchsetzen können.

2.2.3. The Book of Common Prayer 1549

Am 21. Januar 1549 wurde mit dem Act of Uniformity das BoCP mit Wirkung zum 9. Juni 1549 als Gebetbuch für die Church of England festgelegt und ersetzte damit ersatzlos alle bisher verwendeten Bücher (vgl. [Fellowes 1941], S. 7). Von diesem Zeitpunkt an war die englische Sprache im Gottesdienst sowohl für Texte und Liturgie als auch für die Musik verbindlich12. Während die Liturgietexte weitestgehend den lateinischen Texten entsprachen und hier die Reform nur in Bezug auf die Struktur der Gottesdienste deutlich wurde, bringt der Einsatz der Muttersprache viele neue Forderungen hervor:

For they so ordred the matter, that all the whole Bible [...] should be read over once in the yeare, [...] that the people [...] should continuallye profite more and more in the knowledge of God, and bee the more inflamed with the love of his true religion. [...] S. Paule would have suche language spoken to the people in the churche, as they mighte understande and have profite by hearyng the same [...]. That al thinges shalbe read and song in the churche, in the Englishe tongue. ([The Church of England 1549], Vorwort)

Diese Ausrichtung auf das Verstehen des Glaubens, der Bibel und der Liturgie forderte auch Änderungen in der Musik. Hatte sich die Musik gerade vom starken Textbezug getrennt und stand in der Vokalpolyphonie erstmals als Kunst für sich allein, forderte Cranmer von den Komponisten, dass sie die Gestaltung der Musik dem Text zu unterwerfen hätten. In einem Brief an Henry VIII schreibt Cranmer im Oktober 1544:

[...] in my opinion, the song that should be made thereunto would not be full of notes, but, as near as may be, for every syllable a note, so that it may be sung distinctly and devoutly as be in the matins and evensong Venite, the hymns, Te Deum, Benedictus, Magnificat, Nunc dimittis, and all the psalms and versicles. (zit. nach [Le Huray 1967], S. 7)

Die Nachwirkungen der Einführung des BoCP und dem damit verbundenen Ideal der Kirchenmusik waren verheerend: Bis auf eine geringe Zahl neuer Kompositionen war das gesamte Repertoire der Kirchenmusik unbrauchbar geworden, da ihr Text von der Gemeinde nicht verstanden wurde und die der Polyphonie eigenen vielen Melismen nicht mit dem geforderten syllabischen Vertonungsstil vereinbar waren. Die ältesten Chorwerke in englischer Sprache sind den Wanley Part-books zu entnehmen, deren Entstehungszeit zwischen 1546 und 155213 vermutet wird. Sie enthalten zehn Messvertonungen, sowie Anthems und Vertonungen für die Tagzeitenliturgie. Während die Sätze der Messvertonungen durch den Bezug auf einen cantus firmus oder durch melodische Motive musikalisch miteinander verbunden sind, wie es auch in den lateinischen Messen üblich war,14 kann eine solche Beziehung zwischen den Sätzen für das Stundengebet nicht festgestellt werden.

They reveal no musical links to show that they are anything more than marriages of convenience, however, for the individual items of such pairs often are written in quite different styles, and are probably even the work of different composers. ([Aplin 1982], S. 410)

Trotz der Probleme, die das BoCP den Musikern zunächst bereitete, entstand bereits mit diesen frühen eher zufällig zusammengesetzten Paaren von Magnificat- und Nunc dimittis-Vertonungen eine neue liturgische Form, die so genannten choral services, deren musikalische Darbietung, „as rendered daily in the English cathedrals, are unique in the world of modern music; nothing quite like them exists on the continent of Europe“ ([Fellowes 1941], S. 2).

2.3. Musikalische Formen des Evensong nach 1549

Das BoCP unterscheidet drei Gottesdienstformen, die, soweit es organisatorisch möglich ist, von einem Chor begleitet werden sollen: Als Mattins15 wird das Morgengebet bezeichnet und bildet den ersten Gottesdienst des Tages. Es folgt direkt im Anschluss der Second Service, der mit der heiligen Messe der römisch-katholischen Kirche vergleichbar ist und im BoCP von 1549 ebenso bezeichnet wird: „The Supper of the Lorde and holy Communion, [...] called the Masse“ ([The Church of England 1549]). Der Tag wird mit dem Abendgebet beendet, welches Evensong genannt wird. Die musikalischen Sätze der Messe sind das Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus und das Agnus Dei. Hinzu kommen Akklamationen und Aktionsgesänge, die jedoch damals wie heute der Tradition des gregorianischen Choral folgen und deren Text und Melodien festgelegt sind. Zur künstlerischen Vertonung freigegeben sind das Vater unser, Introitus- und Offertoriumsgesänge, sowie Hymnen. Der Einsatz von Chormotetten, die jedoch nicht in der Gottesdienstordnung vorgesehen sind, war nicht unüblich. Da die Messe der anglikanischen Kirche liturgisch wie musikalisch weitestgehend der lateinischen Messe entspricht16 und ihre Musik nur am Rande Bestandteil dieser Arbeit ist, soll auf den Aufbau der Messe nicht näher eingegangen werden.

Da die liturgische Form von Mattins und Evensong völlig neu zusammengesetzt wurde und aus vielen feststehenden Teilen besteht, bot sich hier für die Komponisten ein weites Feld an verschiedenen Textarten, deren Vertonung es nun bedurfte (vgl. [The Church of England 1549]):

Mattins

Evensong

Vater unser (gesprochen)

Vater unser (gesprochen)

Akklamationen (keine Angabe über Darbietung)

Akklamationen (keine Angabe über Darbietung)

Psalm 95 „Venite, exultemus Dominum17“ (gesprochen oder gesungen)


Psalmen, aus dem Kalender zu entnehmen (Anzahl nicht festgelegt, gesprochen oder gesungen)

Psalmen, aus dem Kalender zu entnehmen (Anzahl nicht festgelegt, gesprochen oder gesungen)

erste Lesung aus dem alten Testament (gesprochen)

erste Lesung aus dem alten Testament (gesprochen)

Antwortgesang „Te deum laudamus“ (keine Angabe über Darbietung)

Antwortgesang „Magnificat“ (keine Angabe über Darbietung)

zweite Lesung aus dem neuen Testament (gesprochen)

zweite Lesung aus dem neuen Testament (gesprochen)

Antwortgesang „Benedictus dominus deus Israel“ (keine Angabe über Darbietung)

Antwortgesang „Nunc dimittis“ (keine Angabe über Darbietung)

Gebete (gesprochen)

Gebete (gesprochen)

Glaubensbekenntnis und Vater unser (gesprochen, Gemeinde und Priester)

Glaubensbekenntnis und Vater unser (gesprochen, Gemeinde und Priester)

Akklamationen (keine Angabe über die Darbietung)

Akklamationen (keine Angabe über die Darbietung)

Drei Fürbitten (Tagesbitte, Bitte um Frieden, Bitte um Gnade)

Drei Fürbitten (Tagesbitte, Bitte um Frieden, Bitte um Schutz vor Gefahren der Nacht)

Obwohl im ersten BoCP das Singen der Antwortgesänge und Gebete nicht verpflichtend dargestellt wurde, muss davon ausgegangen werden, dass, begründet aus der Tradition des Stundengebets der katholischen Kirche, die Antwortgesänge, Psalmen und Akklamationen musikalisch dargeboten wurden. Im folgenden sollen nun die musikalischen Formen des Evensong näher beschrieben werden. Die Musik der Akklamationen und Psalmen von Mattins und deren Entwicklung entspricht der Musik des Evensong und wird daher nicht extra erwähnt.

2.3.1. Preces and Responses

Nach dem gesprochenen Vater unser beginnt der Evensong mit den so genannten Preces, einem akklamatorischen Gesang, das von einem geistlichen Vorsänger und dem Chor vorgetragen wird. Der Text entstammt der Liturgie und entspricht dem Beginn eines jeden Stundengebets des römisch-katholischen Ritus: „O Gott, komm mir zu Hilfe. - Herr, eile, mir zu helfen.“ und schließt mit der Doxologie „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem heiligen Geist. - Wie im Anfang so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen. Halleluja“18. Die Anweisung für das Morgengebet setzt noch eine weitere Akklamation vor die eben dargestellte mit dem Text „Herr, öffne meine Lippen. - Damit mein Mund dein Lob verkünde.“19, die seit 1552 auch den Evensong eröffnet. Die erste Vertonung dieser liturgischen Texte stammt von John Merbecke20, der im Jahr 1550 sein Booke of Common Praier Noted heraus brachte, in dem er systematisch das gesamte BoCP vertonte. Der Stil der Vertonungen entsprach der Musik des katholischen Stundengebets, Grundlage bildeten die einstimmigen Psalmtöne, welche auf den englischen Text gemäß der Forderung Cranmers syllabisch angepasst wurden.

John Merbeck's Book of Common Prayer Noted (1550) did indeed employ the one-syllable-one-note style as recommended in Cranmer's famous letter to Henry VIII, but Merbeck's melodic lines are very near to plainsong, this being adapted to suit the accentuation of the English language. ([Mackerness 1964], S. 56)

Trotz dieser sehr konservativen Bearbeitung bildeten seine Vertonungen eine Grundlage für die Entwicklung der folgenden Jahre, die nicht zu unterschätzen ist. Allerdings bezweifelt Long, dass das Buch jemals genutzt wurde, da schon 1552 das revidierte BoCP Merbecke's Noten unbrauchbar machte21 (vgl. [Long 1972], S. 29). Während Merbecke noch auf der Einstimmigkeit verharrte, setzte Thomas Tallis die Preces erstmals mehrstimmig um, bezieht sich dabei jedoch auf die Vertonung von Merbecke (vgl. [Douglas 1962], S. 104), der sich wiederum auf eine Melodie stützt, die dem heiligen Athanasius (3. Jahrhundert n. Chr.) zugeschrieben wird (vgl. a.a.O., S. 85). Weitere Vertonungen folgen, die alle auf folgende Form zurück zu führen sind:


(vgl. [Shaw 1985], S. 1)

Während der erste Teil immer solistisch vom Priester vorgetragen wird, lässt sich die Melodie im mehrstimmigen zweiten Teil zunächst im Tenor, später auch im Sopran wiederfinden. Mit der Neuauflage des BoCP im Jahr 1552 (vgl. [Griffith 2002], S. 62) ändert sich der Text der Preces und Responses und wird in den Plural gesetzt („us“ an Stelle von „me“). Nach der Regierungszeit von Mary I wird 1559 unter der Herrschaft von Elisabeth I in einer weiteren Neuauflage des BoCP die starke Bindung an die Vertonungsregel von Cranmer gelockert und es entstehen erstmals auch Preces mit kurzen Auflösungen der strengen Homophonie, wie folgendes Beispiel zeigt:



(William Smith, vgl. [Shaw 1985], S. 11)

Den Abschluss der Preces bildet die Vertonung der Doxologie und dem anschließenden „Praise ye the Lord“. Im Gegensatz zum ersten Teil der Preces lassen diese Textteile mehr Freiheit für die Vertonung und sind daher wesentlich melodischer und rhythmischer gestaltet.

Den zweiten Abschnitt der Akklamationen bilden die Responses. Sie beginnen mit der so genannten Lesser Litany, die vor dem zweiten Vater unser gesungen wird und funktional dem Kyrie gleichkommt. Sie wird durch den Ausruf „The Lord be with you“ eingeleitet, wie es auch in der katholischen Kirche vor Gebeten üblich ist. Die Vertonung dieser Einleitung beginnt entweder direkt auf dem Tenor oder mit einem Initium im Intervall einer kleinen Terz. Die Antwort des Chores „And with thy spirit“ ist zwar mehrstimmig gesetzt, jedoch streng homophon und die einzelnen Stimmen bewegen sich kaum. Die darauf folgende Litanei „Lord, have mercy upon us. Christ, have mercy upon us. Lord, have mercy upon us“ ist dagegen, wie auch schon der zweiter Teil der Preces, ausgeprägter. Die Dreigliedrigkeit des Textes bildet sich auch in der Vertonung ab, die sich zum Beispiel in einer Steigerung eines harmonischen Spannungsverhältnisses niederschlägt. So besteht der erste Teil meist aus einem Wechsel zwischen Tonika und Dominante, oder Tonika und Subdominante, im zweiten Teil finden vermehrt auch Doppeldominanten und Mollparallelen Verwendung, häufig ist eine Endung des zweiten Teils auf der Dominante, die dann zum in der Tonika stehenden dritten Teil überleitet. Der dritte Teil ist wieder etwas ruhiger und imitiert oft den ersten Teil, endet aber häufig auf der Dominante oder Doppeldominante, die dann zum Vater unser führt, welches aus einem einstimmigen Tenor auf der Tonika oder Dominante besteht und in den vorliegenden Vertonungen immer mehrstimmig plagal endet. (vgl. [Shaw 1985])

Direkt nach dem Vater unser folgt die längste Akklamation, die eine Aneinanderreihung von Bitten darstellt. Bei der Intonation des Priesters handelt es sich wieder um einen Tenor, diesmal mit einer Mittelkadenz, die entweder aus einem kleinen Terzsprung nach unten besteht (bei unbetonter Endsilbe) oder aus einem kleinen Terzsprung nach unten und einem großen Sekundschritt nach oben (bei betonter Endsilbe).



([Douglas 1962], S. 85)

Diese Akklamationen nennt man Versicles. Ihre Vertonung ist auch in den Frühformen schon stark textausdeutend, was den ansonsten sehr sparsamen Melodien zu unglaublicher Kraft verhilft22. So wird zum Beispiel das Wort „joyful“ meist melismatisch vertont (im Gegensatz zu der sonst syllabischen Vertonung), wodurch das Wort an Ausdruckskraft gewinnt. Des weiteren wird der Textteil „Because there is none other that fighteth for us, but only thou, O God.“ häufig durch Dynamik ausgedeutet, die durch eine Generalpause vor „but only thou, O God“ noch eine Steigerung erfährt. Durch solche Variationen der sonst so einfachen Mehrstimmigkeit setzen sich die Versicles von den in der römisch-katholischen Kirche praktizierten einstimmigen Akklamationen ab und lassen die Gemeinde und den Chor die täglich wiederholten Texte jeden Tag neu erfahren. (vgl. [Shaw 1985])

Die auf die Versicles folgenden Collects werden von einem Priester vorgetragen und werden nur auf dem Rezitationston intoniert. Es handelt sich bei dem Text um drei Fürbitten, wobei die erste Fürbitte täglich neu geschrieben wird und sich auf das Tagesgeschehen beziehen kann. Die zweite und dritte Fürbitte ist täglich identisch23:

[2.] O God, from whom all holy desires, all good counsels, and all just works do proceed: Give unto thy servants that peace which the world cannot give; that both our hearts may be set to obey thy commandments, and also that by thee we being defended from the fear of our enemies may pass our time in rest and quietness; through the merits of Jesus Christ our Saviour.
[3.] Lighten our darkness, we beseech thee, O Lord; and by thy great mercy defend us from all perils and dangers of this night; for the love of thy only Son, our Saviour Jesus Christ. ([The Church of England 1662], S. 24)

Nach jeder Bitte antwortet der Chor mit einem mehrstimmigen Amen, jedoch stellen auch hier die Vertonungen in mehrfacher Hinsicht eine Steigerung dar. In der einfachsten Form bestehen die drei Amen aus homophonen Vertonungen in einem Dominantverhältnis (Bsp. 1. Amen: Des-As; 2. Amen: As-Des; 3. Amen: Des-As; vgl. [Shaw 1985], S. 10), deren Akkordlagen nach oben versetzt werden, sodass sich mit ebenfalls crescendierender Dynamik eine Klangsteigerung ergibt. Eine erweiterte Form dieser Amen-Vertonungen weitet das zweite und/oder das dritte Amen zu einer Art Jubilus im melismatischen Stil aus:



(William Byrd, vgl. [Shaw 1985], S. 5)

Obwohl die Intention, solche Akklamationen und Gebete zu vertonen, vermutlich eher damit zu begründen ist, dass man gesungene Sprache auf weite Entfernung in den großen Kathedralen besser verstehen kann (vgl. [Fellowes 1941], S. 20), hat sich aus dieser Vorschrift eine Kunst entwickelt, die bis heute einzigartig ist. Wie sich im Verlauf der Arbeit zeigen wird, gibt es erste Ansätze, auch die Akklamationen der katholischen Kirche chorisch zu gestalten, aber diese sind längst nicht so ausgeprägt.

2.3.2. Psalms

Die Vertonung der Psalmen hat ihre Begründung bereits im Wort selbst. „Psalm“ kommt von dem griechischen Wort „psalmós“, was übersetzt „Lied, Gesang, Harfenspiel“ bedeutet ([Kluge 1999], S. 653). Es bezeichnet die 150 Texte aus dem Alten Testament der Bibel, die im „Buch der Psalmen“ niedergeschrieben sind und die gesungen und mit dem Psalter24 begleitet vorgetragen wurden. Diese Tradition geht auf die Antike zurück und führt über die Juden, die die Psalmen als gesungene Gebete pflegten, bis zum Christentum, welches die Psalmen in allen Gottesdiensten des christlichen Glaubens verankerte. Ihre musikalische Form ist in der christlichen Kirche seit dem frühen Mittelalter der gregorianische Choral, dessen Repertoire im 8. Jahrhundert durch das System des Oktoechos in acht Kategorien unterteilt wurde, welche unter dem Begriff „Psalmton“ oder „Ton“ bekannt sind (vgl. [Agustoni 1993], S. 284). Am Ende eines jeden Psalmvortrags25 steht die Doxologie, die im gleichen Ton intoniert wird, wie der vorhergehende Psalm.

Die anglikanische Kirche übernahm diese Tradition der Psalmvertonung zunächst, indem sie nur den lateinischen Text durch den im BoCP abgedruckten englischen Text ersetzte. Die ersten Psalmtexte des neuen Ritus wurden in „Miles Coverdale's Goostly Psalms and Spirituall Songs dates from about 1538” ([Mackerness 1964], S. 58) veröffentlicht, waren jedoch noch nicht für den liturgischen Gebrauch bestimmt. Merbecke's Booke of Common Praier Noted stellt die erste liturgisch verwendbare Sammlung an Kompositionen dar, die sich streng auf die Psalmtöne bezieht (vgl. Kapitel 2.3.1) und nur ein- und zweistimmige Vertonungen enthält (Cantus firmus im Tenor, Diskant darüber gesetzt; vgl. [Douglas 1962], S. 104). In den ersten Jahren nach der Veröffentlichung des BoCP war das Singen von mehrstimmigen Psalmen noch nicht üblich. Zu dieser Zeit wurden die Psalmen einstimmig vom Chor gesungen, indem die zwei Teile eines Verses, oder jeweils ein ganzer Vers antiphonal vorgetragen wurden. Diese Tradition des gegenchörigen Singens stellt eine kontinuierlich gepflegte Praxis dar und wird auch für den späteren Anglican Chant beibehalten.

Es gibt erste harmonisierte Versionen der gregorianischen Choräle aus den Jahren der Regierungszeit von Elisabeth I, die von Thomas Morley 1597 gedruckt wurden (vgl. [Fellowes 1941], S. 15). Ihre Notation lässt dem Chor viel Freiheit, erfordert aber auch ein enormes Fingerspitzengefühl im Umgang mit dem Text, da die Notation wie bei den Psalmtönen keine Rücksicht auf den Text nimmt. Eine Vertonung konnte theoretisch für alle Psalmen verwendet werden und es war die Aufgabe des Chorleiters, die zum Teil sehr langen Textpassagen auf dem Tenor sinnvoll zu betonen, sodass sie zum einen gut singbar und zum anderen verständlich waren. Eine der Reformation entsprungene neue Idee, die vor allem in den Gemeindekirchen das Singen von Psalmen erleichtern sollte, waren die metrischen Psalmen. Metrische Psalmen sind freie Dichtungen mit festen Metrum und Reimschema, deren Text nur dem Sinn nach den Texten der Bibel entsprechen. Durch ihre einheitliche Form ist es möglich, sie ohne die soeben beschriebenen Probleme der Textverteilung von der Gemeinde als eine Art Hymnus singen zu lassen. Erste Versionen dieser metrischen Psalmen entstanden bereits im Jahr 1549 und stammen von Robert Crowley und Thomas Sternhold, die erste vollständige Sammlung mit allen 150 Psalmen erschien allerdings erst 1562 unter dem Titel „Whole Book of Psalms Collected into English Metre“, die Sternhold gemeinsam mit John Hopkins publizierte (vgl. [Phillips 1945], S. 115). Der Grund für diese lange Entstehungszeit liegt in dem Gebrauch dieser metrischen Psalmen: Bis 1559 wurden diese Formen der Psalmen für die Liturgie nicht akzeptiert, erst die Neuauflage des BoCP unter der Herrschaft von Elisabeth I ließ diese Texte auch im Gottesdienst zu.
Der metrische Charakter, der zwar die rhythmische Verteilung des Textes auf die Noten klar festlegte und damit erleichterte, warf jedoch auch Probleme auf. Während die gregorianischen Psalmtöne stets Varianten für betonte und unbetonte Endsilben anboten und auch die Anfangs- und Endfloskeln so gestaltet werden konnten, dass der Text nicht unnatürlich betont wurde, bot das feste Metrum und der dazu gehörige Rhythmus diese Möglichkeit nicht. So konnte es passieren, dass einer unbetonten Endsilbe eine dem Sprachduktus völlig fremde melodische Betonung zugeordnet werden musste, wie folgendes Beispiel zeigt (das Wort „blessed“, hat seine Betonung auf der ersten Silbe, wird aber hier durch die lange Note auf der zweiten Silbe betont):



(vgl. [Fellowes 1941], S. 16)

Diese metrischen Psalmen fanden nach 1559 in den Gemeindekirchen täglich Verwendung, wohingegen die traditionell im gregorianischen Stil vertonten Psalmen eher von Chören in den Kathedralkirchen ihren täglichen Einsatz erfuhren.

Die von Thomas Tallis (ca. 1505-1585) erstmals komponierten festal psalms wurden dagegen nur an Feiertagen gesungen und waren fest mit dem Text des jeweiligen Psalms verankert (vgl. [Long 1972], S. 77). Sie wurden auch, im Gegensatz zu den Psalmen für Werktage, vollkommen ausgeschrieben und ließen daher keine Interpretation oder freie Textbetonungen mehr zu. Diese festal psalms beziehen sich ebenfalls auf die gregorianischen Psalmtöne, indem diese stets den cantus firmus der Komposition bilden. Jedoch sind die Oberstimmen, obwohl sich ihre harmonischen Bezüge in jedem Vers wiederholen, wesentlich freier gestaltet und werden je nach Länge und Betonung des Versetextes leicht variiert, sodass der Psalm für jeden Vers eine etwas andere Vertonung erhält (vgl. [Fellowes 1941], S. 16 f). Rhythmisch sind die festal psalms festgelegt, ihre melodisch wechselnden Floskeln erfordern eine strenge rhythmische Notation. Im Gegensatz zu den metrischen Psalmvertonungen wird aber bei den festal psalms stark auf die Textbetonungen geachtet und diese durch die melodischen Variationen noch hervorgehoben. Ihr Vortrag erfolgt im altbekannten antiphonalen Stil, wobei diese Technik auch auf zusätzliche Klanggegensätze wie „full choir“ und „semi choir“ nicht verzichtet. Durch diese Vortragsart erhalten die festal psalms einen besonderen, festlichen und abwechslungsreichen Charakter.

Diese zuletzt genannte Form der Psalmvertonung, wie sie Tallis, Byrd, Gibbons und viele andere Komponisten des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts pflegten, ist als Vorbild der später entstehenden Anglican Chants zu bezeichnen, die bis heute ihren Platz in der Liturgie der anglikanischen Kirche haben (vgl. Kapitel 3.4.3).

2.3.3. Canticles

Die so genannten Canticles sind zunächst einmal die Gesänge, deren Text sich auf biblische Lieder bezieht, jedoch nicht dem Psalter angehören. Bekannte Beispiele sind das Lied des Mose (Ex 15, 1-19), alle Vertonungen der Texte des Hohelieds (Hld 1-8), der Lobgesang der drei jungen Männer (Dan 3, 52-90) und aus dem neuen Testament der Gesang des Zacharias (Lk 1, 68-79), welcher als Benedictus26 in der Laudes gesungen wird. Die im Evensong verwendeten neutestamentlichen Canticles sind der Lobgesang der Maria (Lk 1, 46-55), der als Magnificat bekannt ist und das Nunc dimittis, als welches der Gesang des Simeon (Lk 2, 29-32) bezeichnet wird. Diese Canticles sind zunächst „similar to psalms in form and content [...]. Biblical canticles are often referred to as 'Psalms outside the Psalter'.“ ([Velimirovic 1980]) Wie bereits in Kapitel 2.1 beschrieben, waren die Canticles von den Psalmen nur dadurch zu unterscheiden, dass sie täglich wiederholt wurden. Ihre musikalische Form war zunächst identisch. Das änderte sich bereits in der Renaissance, in der vermehrt Musiker das Magnificat polyphon und damit künstlerisch vertonten (z. B. Guillaume Dufay, Josquin Desprez, später auch Giovanni Pierluigi da Palestrina, Orlando di Lasso und Claudio Monteverdi). Das Vortragen polyphoner Nunc dimittis-Vertonungen war nach römisch-katholischem Ritus nur am Fest „Mariä Lichtmess“27 vorgesehen (vgl. [Long 1972], S. 71), polyphone Vertonungen desselben waren daher äußert selten. Mit der Einführung des BoCP bot es sich nun erstmals an, das Magnificat mit dem Nunc dimittis zu verknüpfen. Die in den Wanley Part-books enthaltenen Magnificat- und Nunc dimittis-Vertonungen stellen die ersten Kopplungen dieser Art dar, sind jedoch, wie Aplin zeigen konnte, keine explizit als Einheit komponierten Werke (vgl. [Aplin 1982], S. 410). Auch hier kann Thomas Tallis wieder als Pionier bezeichnet werden: Tallis hatte bereits ein Magnificat und Nunc dimittis für 5 Stimmen in lateinischer Sprache verfasst (vgl. [Long 1972], S. 71), was sehr außergewöhnlich ist, da weder polyphone Nunc dimittis-Vertonungen, noch Paarungen der beiden Gesänge vor 1549 üblich waren. Es darf vermutet werden, dass diese Komposition für einen der vor 1549 von der Chapel Royal erprobten Evensongs gedacht war, welcher Tallis um 1545 bereits angehörte. Diese These lässt sich durch die starke innovative Kraft erklären, die damals von der Chapel Royal ausging:

[...] it was inevitable that some of its musicians - including Tallis, Tye, Sheppard and Caustun - should be amongst the first to try their hands at composing syllabic settings of English works, long before the Act enforced the use of English in worship. (a.a.O. S. 75)

Damit war Thomas Tallis „einer der ersten Komponisten, die Magnificat und Nunc dimittis komponierten“ ([Schaarwächter 1998], S. 206) und prägten.

Bereits in den ersten Canticles-Vertonungen der oben genannten Komponisten lassen sich zwei Tendenzen ausmachen, die sich schließlich zu verschiedenen Vertonungsstilen herausbilden. Der so genannte Great Service stellt eine Vertonung im alten polyphonen Stil dar, deren Polyphonie jedoch bei Weitem gemäßigter erscheint. Die von Cranmer geforderte Textverständlichkeit und der syllabische Vertonungsstil werden weitestgehend eingehalten, allerdings werden einzelne Textpassagen wiederholt. Im Gegensatz dazu wird im Short Service überwiegend auf Textwiederholungen verzichtet, die Vertonung ist „simple and straightforward, written usually in 4-part harmony and mainly in block chords“ ([Long 1972], S. 75). Die Short Services entsprachen daher eher den Vorstellungen Cranmers, bereiteten den Komponisten aber „vielfach Schwierigkeiten, erst mit der Lockerung dieses [syllabischen] Prinzips gewann die anglikanische Musik ihren Reichtum zurück“ ([Schaarwächter 1998], S. 206).

Eine weitere Regelmäßigkeit in der Geschichte der Magnificat- und Nunc dimittis-Vertonungen lässt sich zu diesem Zeitpunkt bereits festhalten: Der Lobgesang der Maria, in dem Maria dafür dankt, dass sie den Sohn Gottes zur Welt bringen wird (vgl. Lk 1, 39-56), wirkt stets belebt, fröhlich und erwartungsvoll und steht damit im Kontrast zu dem ruhiger, gemäßigter komponierten Nunc dimittis, welches die Erlösung des alten Simeon beschreibt, der dafür dankt, den Heiland gesehen zu haben und nun in Ruhe sterben zu können (vgl. Lk 2, 25-32).

1Einen Einblick in die Formen des gregorianischen Choral der Stundengebete bietet das für den Gebrauch in Klöstern gedruckte „Liber usualis Missae et officii pro dominicis et festis cum cantu gregoriano“.

2Als „Sarum Rite“ bezeichnet die anglikanische Kirche ihre Variante der römisch-katholischen Liturgie, der Begriff beinhaltet damit sowohl die Liturgie der Stundengebete, wie auch die der anderen Gottesdienstformen wie der Eucharistiefeier und dem Wortgottesdienst.

3Im Hinblick auf eine einheitliche Form wähle ich für die Namen der Könige und Königinnen stets die Englischen Titel ohne Punkt.

4Im Stundengebet hatte der Ritus der anglikanischen Kirche einige ausgewählte Gesänge schon früh durch besondere künstlerische Vertonungen von den übrigen Antwortgesängen differenziert, unter anderem fällt das Magnificat darunter: das Magnificat wurde „usually sung to elaborate or 'solemn' versions of the tones with highly ornate seasonal antiphons“ ([Phillips 1945], S. 43)

5Catharine war vor der Ehe mit Henry VIII bereits mit dessen Bruder Arthur verheiratet gewesen und wurde mit Genehmigung des Papstes nach dem Tod Arthurs mit Henry VIII vermählt.

6Als Praemunire wird ein Statut von 1377 bezeichnet, welches den englischen Königen das Recht sicherte, „alle päpstlichen Erlasse, Dekrete, Bullen etc. zu überprüfen und jeweils über deren Gültigkeit für England zu entscheiden“ (Tudor-Web: Anne Boleyn)

7Die anglikanische Kirche lässt sich in zwei Teile gliedern: die Kathedralkirchen (high chruch) sind Sitz der Bischöfe und haben, wie auch in der römisch-katholischen Kirche, einen eher repräsentativen Charakter. Die so genannten parish churches (low church) sind die Gemeindekirchen, in denen der Gottesdienst eher einfach gestaltet ist. Besonders deutlich wird dieser Unterschied durch die Kunst: Kathedralkirchen sind in der Regel prachtvolle, künstlerische Bauten; in ihren Gottesdiensten spielt die Musik eine deutlich höhere Rolle als in den Gemeindekirchen.

8Nachdem Anne Boleyn ihm ebenfalls nur eine gesunde Tochter (Elisabeth, später Königin von England) schenken konnte und darauf mehrere Fehlgeburten folgten, wurde Anne des Ehebruchs beschuldigt und hingerichtet. So konnte Henry VIII schließlich Jane Seymour heiraten, die ihm 1537 einen gesunden Sohn gebar.

9Die zehn Bücher waren: Missal, Gradual, Breviary, Antiphonary, Processional, Manual, Pontifical, Primer, Consuetudinary und Directorium (vgl. [Long 1972], S. 23 f)

10Der genaue Titel lautet: „The Booke of common prayer and administration of the Sacraments, and other rites and ceremonies of the Churche after the use of the Churche of England“ ([The Church of England 1549])

11Der Begriff Chapel Royal beschreibt zum einen die Räume, welche als Kapelle vom englischen Königshaus genutzt werden (heute befinden sich diese im St. James Palast), zum anderen bezeichnet der Begriff ursprünglich eine dem Haushalt des englischen Königshauses angehörige Gruppe von Priestern, die sich später zu einem musikalischen Ensemble mit Knaben und angestellten Musikern ausweitete und in dieser Funktion die Entwicklung der anglikanischen Kirchenmusik lenkte. Letztere Bedeutung ist stets gemeint, wenn in dieser Arbeit von der Chapel Royal die Rede ist.

12Einzige Ausnahme galt für College-Kirchen. In ihnen wurde auch Latein, Griechisch und Hebräisch als Sprache akzeptiert, da hier das Volk, namentlich die Studenten diese Sprachen beherrschten und damit das Verstehen der Texte gewährleistet war. (vgl. [Douglas 1962], S. 117)

13Fellowes gibt als Entstehungszeit der Part-books ca. 1546 an, während Long deren Entstehung erst zwischen 1549-1552 vermutet. Allerdings stammen die Kompositionen vermutlich alle aus der Zeit vor der Einführung des BoCP und wurden erst nach der Einführung gedruckt (vgl. [Fellowes 1941], S. 8 und [Long 1972], S. 64).

14zwei Messvertonungen konnten als lateinische Messen von John Taverner eindeutig identifiziert werden und wurden für die englische Sprache bearbeitet, bei einer dritten Messvertonung wird eine ähnliche Vorgehensweise vermutet (vgl. [Aplin 1982], S. 410).

15Die Schreibweise hierfür ist nicht einheitlich, üblich sind die Formen Mattins und Matins. Für diese Arbeit habe ich mich für die heute eher übliche erste Form entscheiden, obwohl das BoCP von 1549 die zweite Variante nutzt.

16Seit der Reformation gab es immer wieder Änderungen im Ablauf des Messordinariums. So wurde das Kyrie gestrichen und das Gloria zeitweise ans Ende des Gottesdienstes gesetzt. Heute wird in der Regel nur das Gloria, Sanctus, Benedictus und das Agnus Dei gesungen, wobei das Gloria meist wieder nach dem heute nur gesprochenen Kyrie eingesetzt wird.

17Alle Texte der neuen Gottesdienstformen wurden in englischer Sprache vorgetragen, ihre Titel wurden jedoch den lateinischen Anfängen des jeweiligen Textes entnommen.

18Deutscher Text entnommen aus „Kleines Stundenbuch“, Freiburg 1981. Der englische Text des ersten BoCP lautet: „O God, make spede to save me. - O Lorde make haste to helpe me. - Glory be to the father, and to the sonne, and to the holye ghost. - As it was in the begynning, is now, and ever shalbe world without ende. Amen. Prayse ye the Lorde. Alleluja.“ ([The Church of England 1549])

19Der Text stammt aus Psalm 50, Vers 17, der englische Text lautet: „O Lorde, open thou my lippes. - And my mouthe shall shewe forth thy praise.“

20in der Literatur findet man stattdessen auch „Marbeck“

21Die Neuerungen im BoCP von 1552 bezogen sich hauptsächlich auf den Ablauf der Messe, die Texte von Mattins und Evensong blieben weitestgehend erhalten.

22Der vollständige Text lautet: O Lord, shew thy mercy upon us. - And grant us thy salvation. O Lord, save the King. - And mercifully hear us when we call upon thee. - Endue thy ministers with righteousness. - And make thy chosen people joyful. - O Lord, save thy people. - And bless thine inheritance. - Give peace in our time, o Lord - Because there is none other that fighteth for us, but only thou, o God. - O God, make clean our hearts within us. - And take not thy Holy Spirit from us. ([The Church of England 1662], S. 23 f)

23Im Morgengebet wird an dritter Stelle um die Gnade Gottes gebeten.

24„Psalter“, griech. „psaltērion“; Saiteninstrument ([Kluge 1999], S. 653)

25Werden mehrere Psalmen aneinander gereiht, wie es an Festtagen üblich ist, beendet die Doxologie nur den letzten Psalm.

26Die lateinischen Bezeichnungen beziehen sich stets auf das erste Wort des Textes aus der Vulgata.

27engl. „Purification“, früher gebräuchlicher Name: „Mariä Reinigung“

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